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Ausdrücklich bitte ich darum,

das

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zu beachten:
Alle Rechte an den literarischen Stücken beim Autor!

                                         


 

 Das alte Spiel

 

 Wie es gekommen ist, weiß ich auch nicht mehr genau zu sagen – es geschah einfach, nur: Anna war es doch, die mich zu diesem Spektakel mitgezogen hatte! Sie hatte es doch gewollt, ihre Idee war es, einmal mittelalterlichem Treiben zuzuschauen, den Händlern, Handwerkern und Künstlern ganz nah zu sein; die originalgetreuen Buden zu sehen, altertümlich zu essen, von Gauklern unterhalten zu werden. Ich brauche das nicht. Sie hatte es aber geschafft, mich vom Computer weg zu lotsen. Natürlich diente auch Marion mit unserem süßen Goldschatz Marc als Lockvogel: Ich springe immer darauf an, wenn es gilt, unsere Tochter mit ihrem Spross zu treffen, viel zu selten kommen sie noch zu uns. Seit dieser windige Makler endlich –und wir hatten sie lange gewarnt!- das Weite  gesucht hat, übt sie sich konsequent in Unabhängigkeit – leider auch uns gegenüber.

   Nun waren sie doch nicht gekommen, die Nachricht über Handy hat uns erst auf dem historischen Marktplatz erreicht. Da war es für meinen Rückzug schon zu spät – wir waren mittendrin im bunten Treiben: Schummerige Stände, von Fackeln, Kerzen und Teelichtern dürftig erhellt, Bänkelgesänge und Akrobaten auf der Bühne, Bude an Bude mit Kunstfertigkeit und Essen und Trinken. „Handwerker lassen bei ihrem traditionellen Können über Schultern schauen“ – es herrscht ein Heidenbetrieb.

   Anna hat Geld gewechselt – Geld gewechselt! Es soll in Talern gezahlt werden. Von mir aus, ich habe Hunger. Ich reihe mich ein, meine Frau kichert, und schon merke ich, warum: „Was darf ich Euer Hochwohlgeboren an wohlgetaner Speise und erfrischendem Trunke kredenzen?“ Mir hat es nur kurz den Atem verschlagen, ich sehe trotz der spärlichen Beleuchtung und dem hell lodernden Grill deftige Steaks … und die in mir aufkeimende Laune lässt mich ohne zu zögern mitreden: „Edler Meister der Schwarzbrennerei – von den Steaks geschwind der Stücker zwo, hurtig wohlan, und nicht zu dunkel, Gott befohlen, sonst soll Euch der Teufel holen!“ Der Kerl stutzt, findet es grinsend gut. Anna lacht frei heraus, es hat ihr gefallen, wie lange nicht. Sie gibt mir die ‚Taler’ und wir werden handelseinig: Er lässt vom Preise nicht ab, dieser gewiefte Nostalgiker. Mir wird es wohler, mein Bauch ist annähernd erfreut wie die sich auf einmal anschmiegende Anna. Vielleicht ist es doch gut, so aus der Arbeit mal ganz heraus zu sein. Wir essen, legen den neuzeitlichen Abfall in geflochtene Körbe, flanieren durch lebhaftes Getümmel. Wallende Gewänder allerorten, Kunsthandwerk wird vorgeführt; Anna kauft beim Glasbläser, von der gesponnenen Wolle, den Kerzenmacher lässt sie auch nicht aus – und ich trotte wohlerzogen mit. Bei der Kleidung zieht sie mich mit einer gerissenen Dame in herrschaftlicher Tracht zu Rate – es geht um ein paar Taler mehr. Das Licht ist erbärmlich, und das lässt mich misstrauisch werden. Schon wieder werde ich als ‚hochwohlgeboren’ empfangen, doch der Preis für das Cape ist enorm und ich lasse einen neuen Spruch vom Stapel: „Holde Dame, verkennt nicht, mein Esel scheißt derweil anderes als Dukaten! Von Geldeswert sind seine Äpfel wohl erkannt mitnichten.“ Sie lässt aber nicht locker, genau so hatte ich sie bereits eingeschätzt, lobt unablässig mein untrügliches Gespür für Qualität, meine frappierende Kenntnis und natürlich die Hochherrschaftlichkeit. Anna dreht munter mit dem Umhang eigene Kreise. Froh gelaunt ist sie, einfach strahlend wie lange nicht mehr.

   Es gelingt mir, zur Bedenkzeit einen Getränkestand aufzusuchen. Glühweinartiges Gesöff steigert unsere aufkeimende Ausgelassenheit. Der in der Tat feine Umhang ist auch noch nicht aus dem Rennen. Anna ist sinnlich angerührt – und ich bin froh, dass sie froh ist. Es steckt mich an. Nun geht es vorerst zum Schmuck, Perlen zu Geschmeiden aufgereiht, Silberarbeiten; es schaut sich alles recht edel an. Von der Bühne dringt Gejohle zu uns herüber, nach Bänkelgesang sind nun Feuerschlucker und Kraftmenschen bei der Arbeit, lautstark Aufmerksamkeit erregend – das sähe ich jetzt auch gerne. Aber ich habe dabeizubleiben, auch gut. „Ich werde mich wohl anschicken, Euer Gunst erneut zu beleben.“ Anna schaut beglückt, hört aber auch die Nachtigall trapsen – es ist ruhig in unserer Zweisamkeit geworden, und ich bin nun beflügelt und auch reichlich aufgedreht. Meine Holde ist souverän, alles hat seinen Preis. Das Biest im Weibe ist erwacht. Nach der Perlenkette geht es zu den Steinen, das führt dann doch zu meiner zurückkehrenden Ernüchterung.

   Aber hier beginnt eine neue Runde, ein Burgfräulein mit Feenhütchen; lang und spitz und mit Tüchlein verziert weiß sie ihre jugendliche Frische der Dame Gemahl, also mir, offenherzig kundzutun. Anna sieht mich schauen, sie weiß um meine Lust und es missfällt ihr sogleich, dass ich in das putzmuntere Mädelsgesicht hinein lächele. Ich lasse uns vieles zeigen – und es kostet so richtig Geld. Das hingegen behagt meiner besseren Hälfte, sie will mich schröpfen, es ist ein giftiger Stachel gelöckt.

   „Die Preise versteht vortrefflich Ihr, die kühnsten illusorischen Höhen erklimmen zu lassen,“ habe ich die Bedrängung zu mildern versucht. „Illusionisten gehören auf die Bretter dort, so schaut doch – nicht hinter den Stand hier, sag’ ich nur milde, holde Hilde.“ Mein Kalauer erwischt mich selber mit Frösteln. Ich lasse merklich nach, dabei ging es mir nur darum, auf die Herkunft des Standes, Hildesheim, lustig zu verweisen. Die freche Fee klimpert nun mit den Augen und beugt sich besonders tief vor, um weitere, sehr eigene Auslagen zu offenbaren – doch Anna wird es zu kess: „Ich bin Anna, edler Gemahl der toten Hose.“ Böse ist sie nun. „Anna? Von vorne wie von hinten?“ Ich gebe vor, die Schreibweise ihres Namens zu meinen. Sie blickt durch, hört die Anspielung auf ihre etwas benachteiligt entwickelte Oberweite –und schon gerade jetzt und hier- heraus. Die Schlacht tobt. Nichts jedoch scheint mit viel Erfahrung verloren.

   Und clever ist meine hochwohlgeborene Dame allemal. „Aber Meister, bin ich es nicht, die der Taler reichlich wert?“ Die Kleinkind-Nummer – Schmollmund, demütiger Blick künstlich gebogen von unten zu mir hoch gerichtet, inflationäres Augengeklimper. Das alte Spiel ist im Gange, es sind zwei Weibsleute, die mich bedrängen, jede für ihren eigenen Zweck und Nutzen. Also habe ich die Wahl und versuche ausgerechnet, mich fies aus der Affäre zu ziehen. Das jungblütige Geschöpf tut seine Wirkung, bei mir auf die eine und bei Anna auf die andere Weise. Ich spiele mich warm. „Wäre mein Weib nicht mit des Weges, ich würde wohl kurzweilig bei Euch verweilen und der Zeit keine Not antun.“ Jetzt flirte ich mich auch noch ein. „Euer Lieblichkeit zwingt unsereins geradezu, die Zeit zu vergessen und der Kratzfüße gar viele zu vollziehen. Oh süße Unschuld, wie genieße ich diese Begegnung, mein Leben ist so erfrischt…“ Und Anna wird tiefer gereizt: „Bei meiner Seel’, der Preis scheint nun gar zu hoch geraten!“ Hochmütig schaut sie das berechnende Jungweib an und teilt mir ganz nebenher einen weiteren Hieb zu: „Es ist der Versprechung gar zu viel getan, es ist nur Schall und Rauch – die bess’ren Tage sind wohlbekannt, doch längst bei ihm dahin.“ Der Blick von Frau zu Frau.

   Das hat gesessen. Rache muss folgen. „Wenn Euer Verbrauchtheit sich ein wenig zu zügeln wüsste – so könnte ich durchaus die Wahl vorerst noch mal zu Ihro Gunsten -unbeschmuckt!- anheim fallen lassen.“  ------- Peng. Ein garstig Spiel – und ich hatte ja auch gar nicht auf diesen blöden Platz gewollt. Das jüngere Biest gibt sich verführerisch und nicht geschlagen: „Wenn es doch bei meiner Unschuld zu einem Kaufe käme, ich zeigte mich zugetan, gar vieles ist möglich…“ – ein Frauengefecht. Ich dazwischen.

   Wo verlaufen jetzt die Fronten? Ich mag das Spiel schon längst nicht mehr. Ich teile aus, nun mache ich mich von der lieblichen Fee frei. „Liebreizend das alles, fürwahr. Und wäre der Platz der Mätresse noch zu vergeben, ich käme letztlich hier ins Grübeln.“ Beide sind getroffen, auf einen Schlag. Musste das sein? Ich schüttele mich kühl vor mir selbst.

   „Fasst Euch, liebliches Burgfräulein, der edel scheinende Herr weiß, wovon er redet. Sie ist mir längst bekannt, seine träumerische Neigung zum Gspusi, die er nach vergeblichen Versuchen in den Kanzleiräumen altersbedingt auf Internetseiten zu stillen sucht, nachhaltig bei ihm wütend. Der arme Tropf!“ Sie geht also noch weiter!

   Anna wird jetzt richtig unfair, die Anspielung auf die wirklich harmlose Affäre mit der Praktikantin, der ich nur väterlich kollegial weiter helfen wollte, ist doch schon lange abgehakt – aber sie verzeihen nur, sie vergessen nie, die Damen. Und auch an der Vergebung habe ich so meine Zweifel.

   Wir sind längst weiter gezogen, still ist es um uns geworden, eine Moritat quäkt von drüben zu uns herüber, wir kommen näher, jeder für sich schauen wir, wie einer drehorgelnd und Bilder mit einem Stock antippend die Geschichte voranschreiten lässt. Die ewige Moritat von ihm und ihr. Das alte Spiel, schon immer war es so, immer wird es so bleiben.

  Ich sage immer, der einzig wahre Krieg ist der Kampf der Geschlechter. Hier kann es nie Frieden geben, nur Waffenstillstand, stets aufs Neue. Und es kann sich auch gut anschicken, in diesem kleinen Burgfrieden, man muss sich nur einzurichten wissen. Dorthin müssen wir schleunigst zurück.

  Aber ich bin ganz sicher, dass ich heute Abend wieder am Computer sitzen werde, Arbeit vorschützend – und Anna wird mit Marion stundenlang telefonieren und auch Grüße bestellen: Ja, es ist alles in Ordnung. Wie immer.  

 


 

Der Überbringer

 

Ich habe mich spezialisiert. Für das gesamte Bundesland bin ich da, stehe auf Abruf zur Verfügung, eile vor Ort, informiere mich – und walte meines Amtes.

Irgendwie sadistisch, meinte neulich ein Kollege, unvorsichtig hatte er das verlauten lassen; ich hörte es. „Einer muß es machen, keiner will es machen, ich mache es!" Ganz einfach. Für mich.

Man kennt es doch aus den Filmkrimis – das Kommissars-Duo hat die Nachricht den Angehörigen mitzuteilen. Manche knobeln sogar, oft muß es schon der Untergebene übernehmen, ‚er muß ja auch mal ran‘. Und dann wird linkisch herumgedruckst.

Ich habe meine Methode. Direkt raus damit, wie es ist: Fakten, und ohne Umschweife die Realität. Eigentlich ganz einfach, wenn man es kann.

Manche sagen, ich habe ein Gemüt wie ein Pitbull, kalte Schnauze und so. Aber Tatsache ist doch, daß die Menschen nicht wirklich belogen werden wollen. Sie klammern sich an ein Fitzelchen Hoffnung, aber das bringt nichts: Das ist so, als würde man das Fallbeil noch einmal Halt machen lassen – als würde es dann höheren Ortes zur Begnadigung reichen. So ist es nicht. Die Hinauszögerung verlängert das Leid, letztlich kommt der Schlag doch, unweigerlich.

Ich bin kein Vollstrecker, ich bin nur der Überbringer – und der wird nicht geköpft. Die Menschen haben gelernt, daß das Leben kein Ponyhof ist, wie sie sagen, kein Wunschkonzert. Das Leben ist nüchtern zu sehen, man muß es nehmen wie es kommt.

Ich bin abgeklärt, habe meine Lebensprüfung bestanden, als ich Frau und Kinder verlor. Nun trifft es andere. Was soll mir noch geschehen. Keiner kann es sich aussuchen. Und wenn es eines Tages mich betreffen sollte, dann wäre niemand zu verständigen. Sie brauchen dann einen Neuen. Denn es hat sich bewährt – alle sind irgendwie erleichtert.

 


 

Immer wenn ich Blickmann treff

(ein kurzer Roman, nur so vom Leben)

 

An einem Samstag im Herbst stand ich im Geschäft neben Blickmann, einfach so, auf einmal. Er hatte sich verändert, das sah und spürte ich sogleich: Blickmann war nicht mehr der, der auf der Oberschule neben mir gesessen hatte, der Streber, diplomatisch glatt, gestriegelt selbst  die Kleidung, ausgewogen in den Äußerungen, gewitzt und versiert. Dieser Blickmann hier trug T-Shirt, Jeans und flotte  Tennisschuhe, sein Haar war zerzaust, und er redete plötzlich eine Spur zu vertraut. So war er damals nicht, der gewiefte Schulsprecher, der aufkeimende Yuppie, der als erster eine Swatch trug, als einziger in den erlauchten Kreis der Tennisspieler vordrang, dessen Weg zum Feinsten vorbestimmt schien. Blickmann gehörte für mich von Anfang an zum Jetset, der ging seinen Weg.

   Jetzt verköstigte er sich mit Fleischlosem, machte ganz den Vegetarier, den Gesundheitsapostel, wußte über jedes Müsli und jeden Nährwert Bescheid. Ich brauchte ihn nicht nach der Mitgliedschaft bei Amnesty International, Greenpeace, Robin Wood zu fragen – seine Buttons, Sticker, die Hemdbeschriftung gaben hinreichend Auskunft. Eier nur von freilaufenden Hennen, klare Sache.

   Blickmann aber war es, der schon in jungen Jahren verschiedene Kaviare und Gänseleberpasteten allein vom Aussehen zuordnen konnte, der nicht zu kosten brauchte, ob die Delikatesse vom Schwarzen Meer kam oder etwas mit Beluga zu tun hatte. Wir witzelten, daß er bei einem Riesling nicht nur das Pflückdatum erschmecken könne, bei ihm schien es bis zur genauen Position des Rebstockes zu gehen – Ortsteil, Hang, Reihe achtundzwanzig, vierunddreißigster Stock von rechts. Blickmann.

   Ich traf Blickmann damals, als er auf dem Polittrip war, er kandidierte für alles, setzte sich für jedes Verkehrsschild, jeden Baum, jede Quappe ein. Blickmann schwätzte behände alles nieder. Das Ossiland betrat er mit den ersten, eine Firma hatte er schnell im westlichen Griff. Blickmann pirschte mit dem Mountainbike bis in die höchsten Etagen, um bald darauf unter New-Age-Klängen astrologische Konstellationen zur Verblüffung der Insider aufzutischen. Blickmann – einer der ersten Aussteiger.

   Blickmann war schon Teil der Aerobic-Welle gewesen, bis zur Handgelenkmanschette im Design korrekt. Turnen lehnte er souverän spöttisch ab. Vor einiger Zeit  sah ich ihn, wie er, mich jovial grüßend, eine Delegation aus Tschetschenien, geschäftig und wichtig, geleitete. Immerzu bemühte er sein unentbehrliches Handy. Beachtlich.

   In einer gutbürgerlichen Speisegaststätte sah ich ihn an Weihnachten, lautstark „Silent night“ vor einer buntgewürfelten Schar Ausländer mit Inbrunst intonierend. Sein ‚Alibi-Türke‘ war nicht dabei, die Zeitungen berichteten, wie er einen Drogendealer-Ring gesprengt hatte. Er hatte ihn entlarvt, bevor die Kripo zuschlagen konnte. Der Durchblicker.

   Immer, wenn ich Blickmann treff‘, verblüfft er mich.

   Nun geht es soweit, daß ich Blickmann fürchte. Bin ich stehengeblieben, oder ist er davongetrabt, hat er sein Fähnchen im Wind, oder habe ich den Anschluß verpaßt?  Irgendetwas hindert mich, Blickmann zu hassen. Er beunruhigt mich. Bin ich schon tot? Lebt Blickmann?

   Immer, wenn ich Blickmann treff‘, sehe ich meinen Standort. Oder ist es mein Standpunkt oder was?

 

 


 

Und morgen schon –

da sehen wir uns wieder

 

Ich freue mich den ganzen Tag darauf, Dir abends zu begegnen. Es ist dieser selige Moment, den ich wieder und wieder erwarte, Tag für Tag. Jedesmal erfüllt es mich mit tiefer Freude, Dich zu sehen. Dann erblicke ich Dich  …und ich weiß, es hat sich gelohnt, auf Dich zu warten.

   Es hat Tage gegeben, da konnte ich Dich nicht treffen. Das war bitter wie all die langen Nächte, in denen ich Dich so vermisse. Doch nun sehen wir uns, jeden Tag, und ich freue mich auf Dich.

   Auch die Wochenenden sind lange Zeit ein Problem für uns gewesen, doch jetzt haben wir endlich eine Lösung gefunden – wir können uns jeden Tag sehen. Nur Du und ich. Nun ist es alle Tage unser kleines Glück.

   Weißt Du noch, wie wir uns das erste Mal getroffen haben? Genau an jenem Ort ist es gewesen, wo wir uns regelmäßig wiedersehen! Und es ist mir stets die gleiche, beglückende Erfahrung, wenn ich Dich erblicke.

   Wir sagen nichts, wenn wir uns anschauen. Daß wir uns sehen, das allein ist wichtig. Wir reden nicht miteinander, stumm sprechen wir uns zu, mißverstehen uns nicht. Wir haben sie wortlos vereinbart, diese Zwiesprache unserer Blicke.

   Wir sehen uns, und ich freue mich auf Dich jeden Tag.

   Und wenn wir je ein Wort wechselten, ich glaube, es würde alles zerstören.

   Und so lassen wir es, wie es ist, nicht wahr?

 

 


 


Der zweite Preis

 

 Die Geschichte mit - und vor allem um Hugo Baldwin ist  nicht so leicht zu erzählen. Den zweiten Preis hatte er gewonnen, soviel steht fest, doch dabei ist es nicht geblieben.

    Nur so am Rande bemerkt: Hugo Baldwin lebte in einem kleinen Eifelort, vielleicht dreihundert Einwohner. Jeder kennt jeden. Er bewohnte eine Mansarde, an die er günstig über seinen Arbeitgeber herangekommen war. Das  aber mag unerheblich sein. Diese eigentümliche Geschichte spielte sich jedenfalls so ab:

    Hugo Baldwin hatte durch ein Herrenmagazin einen "erlebnisreichen Tag mit zwei Top-Models"  gewonnen. Und wie er sich darüber freute, können zumindest die männlichen Leser nachvollziehen. Am vereinbarten Tag wurde ein Rolls-Royce vor das Anwesen kutschiert, mit an Bord ein beflissener Agent, umsichtig, geschäftig, Herr der Lage. Er war zugleich auch für die Fotos zuständig, auf die es wohl ankam. Gut und schön, der Nobelkarosse entstiegen ein blondes und ein rotbrünettes Weib, grazil, vollkommen, blasiert.  Sie waren seriös herausgeputzt, das wurde Hugo gleich gewahr. Es tat seiner Vorfreude aber keinen Abbruch: hautenge Modelkleider, winzige Stöckelschuhe, gekonnt geschminkt - und erst ihr Gang, dieses schwebende Wogen.

    Hugo durfte, mit einem ansehnlichen Gutscheinheft ausgestattet, die Tour in und durch die nahegelegene Großstadt dirigieren: Restaurant, Café, Parkanlagen - ein ausgiebiger Bummel durch die Geschäftsstraße, Boutiquenbesuche.

    Die Models lächelten gequält, nur bei den Fotos waren sie unbefangen und wuchsen in ihrer Hinneigung zu Hugo übereinander hinaus. Den- noch, das soll nicht verhehlt werden, denn man konnte es an ihren Minen erkennen - die Blicke sagten so etwa zueinander: "Den kannst DU haben" und "Danke, nach dir." Hugo hatten sie schnell unter kleiner Spießer abgehakt.

    Die kleine Gruppe fiel sogar besonders in dem großstädtischen Gedränge auf, nicht zuletzt durch den auf zahllose Fotos bedachten Agenten, immerzu die umhängenden Kameras zielend auf das kuriose Trio gerichtet. Und gerade wegen der zwei auffälligen Schönheiten bildeten sich Menschentrauben, ein wenig ratlos die Kombination mit dem unscheinbaren Hugo voll Unverständnis begaffend. Hugo Baldwin - klein, dick, kahlköpfig - aber mit viel Spaß bei der Sache. Hugo versprühte Lebensfreude.

    Genau das war es aber, was den rasch verrinnenden Tag zunehmend bestimmte. Das ausgeglichene, seelenvolle Auftreten von Hugo Baldwin. Die pikierten Models, beständig und zuverlässig aus ihrer angeödeten Vertragserfüllung nur für die Schnappschüsse gekonnt lächelnd herausfindende, wurden im Fortlauf der erlebnisreichen Stunden von Hugo angesteckt. Es hatte sich da irgendetwas Unerklärliches in den letzten Stunden eingeschlichen, den gewohnten Alltag, mit Terminhatz und Streß und den ewig gleichen Typen, die nur Püppchen, Hasilein und sowas sagten, durchbrochen. Auch ließ Hugo so wohltuend seine Hände bei sich, sogar bei den engsten Posen für die unermüdlich klickende Kamera. Kein Popoklatschen, keine anzüglichen Bemerkungen.

    Zuerst noch pflichtgequält das Pensum des Tages abspulend, gewannen sie im Umgang mit dem lebhaften und gutgelaunten Hugo schnell Freunde an der Sache. Schön war es mit einem Mal, bei Hugo zu sein.

    Und im Laufe des Tages überkam sie durch seine einmalige Liebenswürdigkeit sogar ein Hauch von Melancholie: Warum kön- nen Männer ihrer Klasse nicht so sein, warum steigt den Snobs nur immer ihr Geld zu Kopfe, warum entpuppen sie sich stets als die gleichen Widerlinge, wenn sie sich beinahe alles erlauben, sprich kaufen können? Machos und Chauvis, etwas anderes hatten die Mannequins in den hektischen Jahren nicht kennengelernt 

    Hugo Baldwin stieg es nicht zu Kopf, seine Freunde war aufrichtig und herzerfrischend, es genügte ihm, sich mit schönen jungen Frauen, an die er sonst nie herangekommen wäre, in aller Öffentlichkeit zeigen zu dürfen. Sie waren bei ihm und heute nur für ihn da - und gleich zwei auf einmal! Es war märchenhaft, so flankiert durch die Stadt zu bummeln. Hugo kam ganz auf seine Kosten - und später würden all die anderen ihn so sehen, auf Fotos, über viele bunte Seiten in dieser von Herren bevorzugten Illustrierten.

    Die aufreizenden Schönheiten hatten allmählich vergessen, daß sie dafür bezahlt wurden, unterstanden treu und brav der Gönnerlaune von Hugo's Gutscheinheft und freuten sich über jede seiner großzügigen Zuwendungen, die, an ihren Lebensansprüchen ge- messen, sich eigentlich bescheiden ausnahmen. Bei Hugo, der es gut mit ihnen meinte, fiel auch jede Kleinigkeit, und gerade diese klitzekleinen Aufmerksamkeiten, ins Gewicht. Mal war es ein Blümchen aus einem der städtischen Blumenkübel, dann wieder eine Handreichung über eine Stolperstelle hinweg. Sie fühlten sich ausgesprochen wohl in der Gesellschaft des gemütlichen Unscheinbaren, der so gar nicht auf das Eine abzielte, wie sie es sonst zu spüren bekamen, als Quittung für ihre Hochglanz-Offerten. Dieser Mann verstand es einfach, seine bemessenen Stunden zu genießen, sich ihrer Anwesenheit zu erfreuen, er war zuvorkommend, launenlos und gönnerhaft. Wenn da nicht die Knipserei des Vierten im Bunde gewesen wäre, so hätten Mona und Sue nur jeweils auf die andere zu achten brauchen: Denn, je fröhlicher sie wurden, desto mehr spürten sie, daß sie zu teilen hatten, keiner gehörte der liebe Hugo allein. Doch zu teilen waren sie nicht gewöhnt.

    Dies spürte auch Hugo, der sich ganz besonders um Gerechtigkeit bemühte, einmal Sue, dann wieder Mona zuerst ansprach, mal der einen, dann der anderen zuerst seine Aufmerksamkeit schenkte. So wurde es zuletzt auch noch für Hugo anstrengend. Der Tag verging im Nu, und Hugo erlebte zu seiner Verblüffung in diesem Luxus eine ganz wesentliche Laune der Weiblichkeit: Sie wollten nicht teilen, alle beide nicht - jede wollte nur einzig und allein bedacht und hofiert werden.

    Nach einem opulenten Mahl klang um Mitternacht der schönste Tag in Hugo Baldwins Leben aus. Die Models verabschiedeten sich gerührt und versprachen, ihn nicht zu vergessen. Hugo ließ sie ziehen, mußte achselzuckend die nett klingenden Wünsche der be- zaubernden und nun gar nicht mehr so affektierten Ladies ( "reizend", "aufregend", "wunderschön" ) akzeptieren und wußte, daß es jetzt vorbei war - nur die Fotos in der nächsten Ausgabe im besagten Herrenmagazin würden ihm bleiben. Aber er hatte es erlebt, und es erfüllte ihn mit satter Zufriedenheit.

    Schon am nächsten Abend wurde er aus London von Sue angerufen. Am Sonntag fliege sie zu Aufnahmen nach Tokio - ob er nicht für einen Zwischenstop nach Frankfurt kommen könne? Nur so auf ein bis zwei Stunden, "ach bitte Hugo, nur um guten Tag zu sagen  - willst du so lieb zu mir sein?" Er wußte nicht, wie ihm geschah, schließlich hatte sie die Vereinbarung erfüllt, und er war doch eine abgehakte Terminerfüllung. Nun das, die schöne Sue wollte ihn wenigstens für letztlich drei Stunden sehen, "auf einen Tee vielleicht?" Das wäre für sie machbar, sie nähme dann den letztmöglichen Flieger.

    Da konnte Hugo nicht nein sagen. Hocherfreut nahm er die Verabredung an, begann auch sogleich, seine Vorbereitungen zu treffen, nämlich seine Barschaft zusammenzukratzen, damit er der verwöhnten Dame ein wenig mehr als einen Eisbecher spendieren konnte, als auch schon der nächste Anruf kam: Mona, aus Stockholm. Zwischen den nächsten Terminen wollte sie gerne den Sonntag mit ihm, möglichst in der Umgebung von Düsseldorf, verbringen - "Du weißt doch, Hugolein, ohne viel Geld auszugeben, einfach ein paar hübsche Stunden - mit dir, mein Lieber."

    Guter Rat war nun teuer, sollte er doch am Sonntag überall sein: Bei seiner Mutter in Bad Ems, mit Sue drei Stunden in Frankfurt, die übrige Zeit mit Mona in Düsseldorf. Hugo's beschauliches Dasein in seinem unschuldigen Eifelflecken war entschieden torpediert. Zahlreiche Anrufe waren vonnöten, doch schon bald hatte er alles unter einen Hut gebracht, jeder ihr Zeitkontingent zugeteilt, alle scheinbar zufrieden.

    Doch weit gefehlt, jede löcherte ihn mit der liebreizenden Bitte, beim nächsten Mal nur ihr zur Verfügung zu stehen. Die beiden neuzeitlichen Modefeen zeigten wohl Verständnis für seine "Frau Mutter", jedoch mußte er aus rein taktischen Erwägungen, auch um sich zu schonen, die jeweils andere Bekanntschaft als erledigt bezeichnen.

    Hugo lernte in der Folgezeit, im rechten Moment zu schweigen oder einzulenken. Er verwies bei Überschneidungen auf  familiäre Angelegenheiten, die keinen Aufschub duldeten, berufliche Engpässe und so weiter. Hugo brach der Schweiß aus, wenn es besonders schwierig wurde.

    Die Blitzbesuche der Mädels mehrten sich, Hugo eilte zu jeder Verabredung, war pünktlich an Ort und Stelle und erfreute mit seiner gewünschten Liebenswürdigkeit. Jede kam auf ihre Kosten, legte überhaupt keinen Wert auf Geldausgaben, zahlte sogar selber, wenn er sich nur mit seiner sonnigen Frohnatur zum Stelldichein begab.

    Schon bald litt Hugo ein wenig, war es doch recht problematisch, jeder der beiden voll und ganz entgegenzukommen, hatte er doch selbst jetzt den Streßkalender eines Models. Aufregend, anstrengend, zeitraubend war es mit einem Mal geworden. Als die Elfen merkten, daß er um gerechtes Aufteilen bemüht war (Hugo's Lügen hatten kurze Beine) und keiner den Vorzug gab, begann der Kleinkrieg.

    Hugo mußte sich allerhand über Mona bei Sue anhören. Geradezu zeitgleich verfiel Mona auf die Idee, Hugo die andere, Sue, madig zu machen. Man warf einander vor, nicht nur Kleidung adrett den Fotografen vorzuführen, auch von Fotos mit erheblich weniger Textilien  war die Rede. Wenn er eine in Schutz nahm, kam die andere mit Beweisen. Sogar von Sexaufnahmen war die Rede - und wenn alles nichts half: Es sei auch nicht nur bei Fotos geblieben! Eine "ganz schlimme Motte" sei ... die andere. So rissen sie den genervten Hugo hin und her, nur, weil ihn jede für sich haben wollte, ganz allein. Hugo, den Erquicker für die schönen erholsamen Stunden eines Top- Models.

    Es blieb nicht beim Umgarnen, es blieb nicht beim betörenden Gegurre: Jede der beiden verstand es, Hugo, ohne viel Mühe, an die leiblichen Genüsse einer erotischen Freundschaft heranzuführen. Es störte Hugo nicht. Nur, daß sie sich immer untereinander schlechtmachen mußten ... Wo sie sich in allem so herrlich ergänzten und es jede verstand, ihm ungekannt Angenehmes und Unerhörtes zu vermitteln.

    Manchmal erfolgten über tausende Kilometer herzzerreißende Szenen per Telefon, Eifersüchteleien, warum er nicht von der anderen, dieser "Schlampe" lasse - und ob man nicht selber genüge. Es war hart für den fairen Hugo. Natürlich hatten sie weiterhin ihre geschäftlich leider unumgänglichen Amouren im Jetset. Das war auch etwas anderes, zählte eigentlich nicht, aber Hugo, das war ihr Halt, ihre Lebensfreude, ihr kleines Glück. 

    Sue und Mona waren jedoch andererseits zu Opfern für "ihren" Hugo bereit. Die eine hatte beim Gedanken an ihn ein lukratives Angebot zu Nacktfotos für ein besonders freizügiges Magazin ausgeschlagen - die andere nahm von ihrem liebsten Wunsch, einer kleinen Filmrolle, wenn auch unter geringster Kostümierung, Abstand - hocherhobenen Hauptes sowie ungekannt entrüstet: "Nein, so etwas mache ich nicht ... mehr!" - Und wie sie es zu betonen wußten - alles nur für ihn!

 

                ***                 

    Wie ist die Geschichte mit Hugo ausgegangen? Jedenfalls fand er zunächst nicht mehr zu seiner Ausgeglichenheit zurück, wurde so elementar hin und her gerissen, daß es mit seiner Ruhe und Gemütlichkeit beinahe vorbei gewesen wäre. Aber er blieb tapfer, verteilte gerecht seine generöse Liebenswürdigkeit, konnte sich auch nie so recht für eine entscheiden - weil er dann die andere verletzt hätte. Niemals hätte er das  fertiggebracht!

    Keine der zwei international gefragten Superfrauen konnte er vor den Kopf stoßen - er hatte zwei Herrinnen zu dienen. Ein hartes Männerlos. 

    Was ihm, nach besonders schweren Stunden noch blieb, war der Traum vom ersten Preis, den er damals verpaßt hatte: Drei Wochen Finnland, Seen, Wälder und Ruhe, die unbehelligte Abgeschiedenheit.

    Und noch etwas muß nachgetragen werden: Es gab da noch Bölke's Molly, seine Schicksalspartie, die sich daheim in der Eifel schon viel zu lange seine Faxen hatte mitansehen müssen. Entschlossen nahm sie ihm den Problemkreis ab, machte ihm unmißverständlich klar, daß er eigentlich nur auf sie gewartet habe. Sie war nahe genug an ihm dran, wußte ihn richtig zu fassen, hatte alles, also Hugo, schnell im Griff. Die Sache mit den zwei "Zicken" nahm sie nicht so ernst, sie unterband die Verbindungen unmißverständlich. Und bald herrschte wieder Frieden in Hugos Leben. Hugo wurde Vater, hatte seine Familie zu ernähren. Alles lief in geregelten Bahnen.

  Nur manchmal noch gerät Hugo ins Träumen. Dabei ertappt witzelt er von "Ehevollzugsanstalt", in der er "lebenslänglich"
bekommen habe. Doch tief in seinem Innern, wie es da aussieht, das weiß nur er.

 

 


 Es ist ein Stück von mir

 

Immerhin war es schon vier Monate weg, das Stück, bis ich wieder davon hörte: auf meine Bitte hin,  doch eine Äußerung darüber erfahren zu dürfen, wurde ich um Geduld gebeten.

 Doch man war interessiert,  konnte sich sogar nach sieben Monaten  bereiterklären, es abzudrucken, nur: es wären noch einige unbedeutende Korrekturen vorzunehmen. Zum einen passe es in dieser Form nicht in das Konzept des Verlages, brauche lediglich umgeschrieben zu werden, zum anderen sei es für die vorgesehene Rubrik  ein wenig zu groß geraten und dürfe nur etwa ein Drittel des bestehenden Umfanges aufweisen.

 Die kindlichen Kränkungen hatte ich rasch verdaut, denn nun war ich am Zuge- Über den neuen Titel brauchte ich mir auch keine Gedanken mehr zu machen, denn der wurde als festgelegt gleich mitgeliefert.

Nach nur zwei Monaten bekam ich mein Stück wieder. man meinte, daß es schon recht gelungen erscheine, lediglich solle der Anfang – auch ein wenig die zweite Hälfte – umgeschrieben werden.

 Dies war rasch getan. Die letzte Überarbeitung  bezog sich nur noch auf den Rumpf des Stückes, dann war es fertig, alles bestens erledigt und zur vollen Zufriedenheit des Verlages ausgeführt.

  Es war soweit. Die ersehnte Ausgabe  der Zeitschrift mit meinem Stück war erschienen – und richtig, da war es, mein Stück, abgedruckt in der Zeitschrift – mein Name war beinahe richtig geschrieben, aber das machte nun wirklich nichts mehr: jeder, aber auch jeder, der es las, würde meinen Namen erkennen können.

 


 

Die kleinen Wörter

 

 Die Kleinen wörter

 Fordern Ihre gleichberechtigung

 Wollen anerkennung Gegenüber Den Großen worten

 

Wir

Die Kleinen worte

Wollen Frei Sein Von Den Großen wörtern

Möchten Auch Bestimmen

Und Nicht Nur Hinter Den Großen worten

Zurücktreten

 

Zu anfang Hat Man Uns Respektiert

Auch Als Wir Uns Wie Große Worte Benahmen

 

Laßt Uns Doch

Große Und Kleine Wörter

Gleich Sein

Sogleich Einen Neuen Anfang Machen

 

große und kleine wörter vereinen

jubelnd einen neuen weg beschreiten

 

was meint ihr großen worte zu uns kleinen

ob wir kleine Wörter uns in Zukunft

gut mit euch großen Wörtern verstehen werden?

 


 

Die Sache mit Bopp

 

Oh dieser Bopp – wenn ich nur noch dran denke. Meine First Lady hatte sich verliebt, in Bopp. Was sollte ich tun? Auf einmal war er da, und nun mußte sie ihn jeden Abend sehen. Die Sache mit ihm ging mehrere Monate, schrecklich.
Das muß 1997 gewesen sein, ich weiß es noch wie heute und das werde ich auch nie, niemals vergessen! Meine Chefin war hin und weg, seit sie von ihm hörte. Hale Bopp. Er sei so einsam, sagte sie mit Kloß im Hals.
   Auf einmal tat es auch das Fernglas nicht mehr, ein Fernrohr, ein Teleskop mußte her, sofort. Sie hatte es sich selber gekauft, ich hätte den Teufel getan …Von Vorfreude getrieben hetzte sie schon vor Einbruch der Dunkelheit hinaus. Der große Einsame am Firmament. Der ruhelose Sonderling, unergründlich getrieben: ach hört mir doch auf!

   Er komme vom Himmel, er sei dem Himmel nah, vielleicht sei er gar der Himmel, so verklärt sie ihn. Ich vergehe vor Eifersucht; es ist ihr wurscht.

   Nun glaubt sie umso mehr an die Wiedergeburt. Nützlichkeitsdenken – Hale Bopp
komme 4535 in unser Sonnensystem zurück.

   Sein Kometenschweif soll 50 Millionen Kilometer betragen – einen solchen Schwanz … da komme ja nicht einmal ich mehr mit!

 


 

 

Donde estan los servicios,

 por favor?

 Inoffizieller
WC-Führer La Palma 2005

Wenn Sie jetzt gleich zu Anfang, liebe Leser, ein Zuordnungsproblem haben, wo denn wohl LA PALMA liege, dann seien Sie getröstet – auch unsere besten Freunde bringen es fertig, nach einer Urlaubsreise mit der Frage an uns heranzutreten: „Und, wie war es auf Teneriffa?“

   La Palma ist eine der sieben Kanarischen Inseln, nicht zu verwechseln mit Las Palmas, der Hauptstadt von Gran Canaria (ebenfalls vor der afrikanischen Nordwestküste gelegen) – oder gar mit Palma de Mallorca. La Palma ist diese zauberhafte, diese idyllische, diese grüne Perle, diese Isla Bonita, dieses ….lassen wir das jetzt, kommen wir zum Thema.

  Spanisch ist so gar nicht unser Ding. Wenn Sie jetzt an der Überschrift herumrätseln sollten – es ist die Frage nach der Toilette, eine nützliche Frage, eine überaus gescheite Frage. Aber Vorsicht, zu sehr diesen kleinen Satz zu beherrschen kann dazu führen, daß Sie, als der Landessprache für mächtig befunden, vollmundig auf den Weg geschickt werden:

  „Señor, esto es facil, vaya usted aqui a la iziquierda, hay una sala, ve usted la puerta derecha y las escaleras conducen arriba y a la derecha la segunda puerta, estan los servicios para caballeros!“

  Wenn dies geschieht und diese Wörtersalve maschinengewehrgleich auf Sie einprasselt, dann sollte man wenigstens dem zuerst wahrgenommenen Fingerzeig folgend die Richtung einschlagen und dann weitersehen. Viel Glück.

   Noch viel viel mehr Glück brauchen Sie aber bei Erreichen der Servicios, hier ist der Überraschungen Heimstatt, hier ist Abenteuer pur angesagt. Natürlich führen Sie selbst im Handgepäck WC-Papier mit sich, klarer Fall, denn auch dieses, wie das zumeist nicht vorhandene, ist in Eimerchen zu entsorgen, da die Sickergruben nur das Natürliche abbauen, nicht aber das natürlich nicht vorhandene Papier. Richtig spannend ist etwas ganz anderes.

   Der alte Flugplatz hat gute Toiletten, es kann nur sein, daß Sie wegen der Reinigung momentan nicht hineinkönnen, sonst aber kommen Sie gut klar. Nähern wir uns der Hauptstadt, Santa Cruz. Hier ist schon ein kleines Mekka der vertrackten Mängel. Von den ‚Glorreichen Drei Defekten’ ist einer, mindestens einer, stets gegeben: Türriegel, Spülung, Wasserhahn. Zu den Details kommen wir bei der Überlandfahrt.

   Im Raum Fuencaliente ist es um Türriegel schlecht bestellt. Wenn überhaupt einer vorhanden ist, läßt er sich entweder nicht bewegen, oder er findet keinen Gegenpart, um seiner Funktion gerecht zu werden, zumeist ist der Holzrahmen aufgebrochen – der Riegel schiebt ins Leere. Bei einem Stehgeschäft, dem ich im Urlaub längst mit männlicher Genugtuung fröne, läßt es sich oft mit dem Hackentrick bewerkstelligen, allerdings geht dann die Trefferquote gegen Null (mit ein Grund, weshalb man daheim auf weibisches Sitzen umprogrammiert wurde). Zumindest, wenn man dem Artistischen nicht so gesonnen ist, bleibt einem ja der Trost der Rückansicht – man jubelt dem Hinzutretenden nicht gleich mit dem kleinen Freund zu. In meiner Lieblingsbar (jede Kneipe heißt Bar, nur ist es dort anheimelnder als in deutschen Gegenstücken, meine Meinung, kann auch nur das Urlaubsgefühl sein) gibt es noch eine nicht zu unterschätzende Stufe und ein Problem mit den nassen Fingern. Wasser läuft, sogar ins Klo- und ins Waschbecken, mit den nassen Händen komme ich schon klar, wer will denn gleich allen Service erwarten. Im Fischlokal unten an der Küste allerdings fehlt ein Handwaschbecken. Dafür hört die Spülung nicht mehr auf. Sollte man, wird gar erwartet, daß …nein, glaube ich nicht, es ist in der Schmalspurkammer einfach kein Platz mehr dafür – und lieber die Kloschüssel als ein Waschbecken, so hätte ich auch entschieden.

   Puerto Naos bietet die üblichen Probleme, viele Bars, viele Defekte. In Tazacorte war ich angenehm in einem Restaurant angetan, alles schien perfekt. Es gab sogar ein Urinal – das begrüße ich stets wohlwollend. Nur, ich hatte auf einmal nasse Schuhe, will sagen, ich hielt meinen Strahl punktgenau hinein, doch unterhalb des Beckens spielte sich eine dezente Urinrückgabe an den Erzeuger ab. Tazacorte Hafen ist da schon interessanter: hier ist es bereits ein Problem, das richtige Haus zu finden, denn die Fischlokale am Küstensaum verweisen für die besonderen Geschäfte in die alte Ortschaft hinein – aber egal, einen defekten Lokus finden wir überall.

  Versuchen wir es in luftiger Höhe – auf dem Weg ins ‚Hochland’ kommen wir zu den Aussichtspunkten, beim ersten und allerbesten ist gleich der Zugang zu den Damentoiletten verschlossen – die Mädels dürfen schamhaft bei uns einrücken, die meisten verkneifen es sich lieber. Oben in den Bergdörfern, so nenne ich die nun einmal, ist es rauh und herzlich. Vom Full House, wie ich meine drei Kernmerkmale (Riegel, Spülung, Waschbecken) nenne, sind zumeist zwei erfüllt, man will ja nicht zuviel verlangen. Zudem sehe ich das zu deutsch, es wäre ja auch kein Urlaub. Gedanken an eine Umschulung als Installateur zerschlagen sich von allein, Bankrott wäre angesagt, keiner würde einen rufen oder gar richtig beauftragen. Und ein richtiger Auftrag wäre in Puntagorda fällig gewesen – im Handwaschbecken konnte man den Hahn, der sich stets schamhaft den Händen nach hinten seitlich ob seiner unnatürlichen Beweglichkeit entzog, nur mit einer Hand festhalten – und da reiben Sie sich mal die Hände!

  Noch nie (in Zeitlupe: nnnnnnnnniiiiiiieeeee ) war eine Toilettenanlage mängelfrei. Es ist schon ein Sport, nach deutscher Gründlichkeit den Defekt zu suchen, nein, Suche braucht es nicht, es ist offensichtlich (und nur für den typisch Deutschen?) – man erkennt dort kein Problem, beneidenswert. Und fliegt man wieder und kommt nach Monaten zurück, ist ein Mangel behoben, zwei andere haben aber die Nachfolge angetreten.  Ich komme zurück, hier und jetzt früher oder später, und sage der holden Begleiterin …nichts, zwei bis fünf Finger tun es auch, ganz stumm. Wir lachen, haben Urlaub. Der Nordosten konnte sich bislang meinen Nachforschungen noch entziehen, dort sind wir nie lange genug, und so oft muß ich ja nun auch nicht. Manchmal ist es mir, als sei ich ein populäres Opfer der spanischen Version von VORSICHT KAMERA oder VERSTEHEN SIE SPASS? – als würde ich dort als Running Gag verheizt. Ist aber nicht so, ich bin noch unentdeckt.

   Es bleibt der Gang ins Ungewisse, ein leichtes „Por favor – servicio?“ reicht, ich finde schnell die Örtlichkeit der nie versiegenden Überraschungen.

  La Palma – nicht der Lokusse wegen. Es gibt so viel Schönes zu sehen, zu entdecken, zu erleben. Allein der Gang über die kleinstädtischen Trottoires, was sich hier an unfallträchtigen Löchern auftut – Stolpern auf La Palma 2006, es ist in Planung (sobald der Gips ab ist).

 


 

Wie weit würdest du
gehen?

 

   Das Pärchen kannte sich noch nicht allzu lange, und es ist eigentlich auch egal, ob sie ganz jung oder schon etwas fortgeschrittenen Alters sind. Nein halt, es ist doch besser, wenn sie schon einiges an Lebenserfahrung einbringen, mitbringen in diese entstandene Zweisamkeit.

   Sie haben den besuchten Strand verlassen, sind die Strecke zur Klippe hinauf gelaufen und stehen nun in der frisch windigen Luft, hoch droben über dem Strand, wo sie vorhin so warm geborgen waren, die Brise über ihren entspannten Körpern genossen.
   „Wie weit würdest du gehen?“ fragte er sie unvermittelt, „wie weit mir vertrauen? Los, dreh dich zu mir! Und geh rückwärts zur Klippe, Augen zu, ich dirigiere dich – komm, mach schon, trau dich!“
    Spontan machte sie es, lachte noch, es waren noch viele Schritte zum freien Fall, sie lachte energischer, er trieb sie weiter an, ihr Lachen wurde verwirrt, ihr Gang unsicher, langsamer.
    „Geh weiter, nu mach!“
 Es wurde ihr unbehaglich, ein wenig Übelkeit stieg in ihr auf. Sie schaute auf.
    „Ein blödes Spiel, komm, laß uns wieder zum Strand gehen,“ versuchte sie vermittelnd, „ich mag nicht mehr.“
 Wortlos und entschlossen schüttelte er den Kopf, dirigierte sie weiter.
    „Nachher mußt du aber auch mal …“ wehrte sie sich nun, eine leichte Kränkung überspielend. Zaghaft schaute sie seitlich, das Rauschen aus der Tiefe war deutlicher geworden.
    „Nicht gucken!“ schrie er, das ist unfair. „Ob es noch ein Nachher geben wird?“
 Ihr erschrecktes Aufschauen ließ ihn lachen.
    „Du vertraust mir nicht? Nix da, auch nicht auf den Boden schauen – nur zu mir gucken, ja so.“
 Ihr brach nun der Schweiß aus, die Schritte wurden minimal, verzögert, sie kam zum Stillstand. „Ich will nicht mehr.“
   „Ach?“ sagte er nur, „das war es also? Na danke, so vertraust du mir also.“
   „Ich bin schon so nah, ich spüre es,“ gab sie kleinlaut von sich, „jetzt aber du mal!“ versuchte sie sich zu verteidigen.
   „Nachher,“ sagte er nur, schüttelte langsam den Kopf, zeigt ihr, weiter rückwärts zu schreiten.
   „Gib mir wenigstens die Hand – reiche mir die Hände, Liebster“, flehte sie übertrieben und letztlich wollte sie sogar ihre Not singend überspielen: „Reich mir die Hand, mein Leben,“ flötete sie zittrig.
   „Wie beim elektrischen Stuhl oder wie“, lachte er giftig. „Nein, ich will es jetzt wissen, ich erwarte es von dir!“
 Auf einmal straffte sie sich entschlossen und ging an ihm vorbei, schubste ihn seitlich, nahm den Weg zurück zum Strand.
   Er folgte ihr, wortlos. Ich glaube, sie sprachen nie mehr davon.
   Er ist ihr eindeutig zu weit gegangen.